
Die Dades-Schlucht ist schon an sich ein Highlight. Die Farbe Rot dominiert das Bild. Gleich am Anfang ein Ort, dessen rote Häuser sich nicht besser in die rote Landschaft einfügen könnten.
Kurz vor der Passhöhe entdecken wir ein Hotel, das auf steilen Felsen direkt über dem Abgrund errichtet wurde. Genauer müsste man sagen: Noch errichtet wird. Denn irgendwie baut der Besitzer mal links, mal rechts, mal oben, mal unten etwas an. Die selbst gebastelten Terassenlampen aus alten Gurkengläsern zeugen von seinem Erfindungsreichtum.

Wir entscheiden uns, hier, auf fast 2.000 Metern Höhe zu übernachten. Der (Rück)Blick auf die gerade gefahrenen Serpentinen läßt die Motorradherzen höher schlagen.
Wir machen uns an die Planung des nächsten Tages und diskutieren lange, ob wir mit unseren vollbeladenen Schwergewichten, einer Aprilia Caponord und einer KTM 1190 Adventure die Piste nach Ait Hani in Angriff nehmen sollen. Die Berichte im Internet schrecken ziemlich ab. Gerade jetzt im Spätwinter sind oft große Teile der Piste weggespült. Andererseits ist sie als normale Straße in der Michelinkarte eingezeichnet und immerhin sind wir zu zweit. Den Ausschlag gibt der Wirt. Er meint, für Autos wäre es schwierig, aber wir mit den Motorrädern hätten dort keine Probleme.

Die Nacht ist ziemlich frisch. Wir bedauern, unsere Schlafsäcke nicht ausgepackt zu haben. Auch als wir morgens aufbrechen ist es noch ziemlich frostig. Die Heizgriffe tun gut. Ich hätte nie gedacht, dass mir nur eine Stunde später so warm wird, dass ich schwitzen muss. Aber dazu später. Zunächst einmal genießen wir die Fahrt durch eine überwältigende Landschaft.
Ein letztes Zögern als wir die Einfahrt zur Piste sehen und dann sind wir schon mitten drauf.
Eigentlich stimmt die OSM Karte genau, aber hier sind so viele Spuren so nah beieinander zu sehen, dass es richtig schwer ist, die richtige ausfindig zu machen. Als wir gerade noch überlegen wo es weiter geht, taucht wie aus dem Nichts ein selbsternannter Guide auf. Ich nehme ihn hinten drauf und er bringt uns auf die richtige Spur. Die Piste führt durch ein trockenes Flussbett und ähnelt eher einer Trialstrecke. Oft ist sie gar nicht zu erkennen. Wir klettern über Steine, und sacken wieder im losen Schotter ein. Schwerstarbeit. Ich schwitze trotz der morgendlichen Kühle.
Dann das erste Problem. Mein Bruder bleibt zurück. Seine Caponord ist ausgegangen und springt nicht mehr an.
Was tun? Hier holt uns keiner ab. Also Sitzbank runter, alle Stecker einmal kontrollieren. Nichts. Gerade als wir endgültig aufgeben wollen, springt sie an. Wir überlegen, was wir tun sollen. Umgekehren oder der Piste weiter folgen. Gerade sieht es nicht so dramatisch aus und der Guide meint, ab hier wäre es besser und der Weg gut zu erkennen. In ein paar Kilometern kämen wir zu einem Cafe, dann hätten wir es bald geschafft. Klingt nicht schlimm. Also zahlen wir ihn aus und machen uns auf den Weg.
Optisch sieht das tatsächlich wie eine Piste aus. Aber das lose Geröll ist fast schlimmer als die großen Steine. Immer wieder sinken die Vorderräder ein, ein paarmal kippen die Motorräder langsam zu Seite. Zum Glück kein schwerer Sturz. Das Aufrichten ist Schwerstarbeit, vor allem wenn man selbst kaum stehen kann. Hier in 2.400 Metern Höhe merkt man auch schon den Sauerstoffmangel.
Das letzte Stück bis zu Passhöhe in 2.600 Metern empfinde ich als besonders unangenehm. Die befahrbare Spur ist schmal und erhöht. Wenden, ausweichen, anhalten ist unmöglich. Wenn man einmal den Schwung verliert, ist der Sturz vorprogrammiert. Die Beine sind einfach einen halben Meter zu kurz. Oben dann der Blick in ein weites Tal. Der Weg führt endlich nicht mehr durch ein Flussbett, sondern an der Flanke der Berge entlang. Sieht gar nicht so übel aus, aber wir haben ja auch noch nicht die Hälfte geschafft.
Die ersten Kilometer sind recht problemlos.
Danach führt der Weg wieder hinab ins Tal und jetzt wird es so richtig heiter. An manchen Stellen ist der Weg komplett weggespült. Weiter geht es nur im Flussbett. Aber da muss man erst einmal hinunter. Die Allradfahrzeuge, die die Spur vorgeben, hatten damit bestimmt keine großen Probleme und folgen einfach der Falllinie. Aber mit den vollbeladenen Reiseenduros im lockeren Schotter steil bergab zu fahren, macht man nicht mehr wirklich kontrolliert. Nach ein paar hundert Metern geht es dann genauso wieder auf den Weg hoch. Die nächste Herausforderung. Zu langsam werden und stehenbleiben, wäre der GAU. Zu schnell fahren und oben auf dem schmalen Weg die Kurve nicht kriegen, wäre nicht besser.
Irgendwann erwischt es mich. Ich nehme Anlauf, dann ein schrecklicher Ruck und das Motorrad bleibt stehen, Ich bin auf einem Felsen aufgelaufen. Beide Räder in der Luft und beide Beine auch. Mein Bruder ist schon außer Sichtweite, aber die Fuhre steht stabil. Mir bleibt nichts übrig, als mit einem zirkusreifen Balanceakt abzusteigen und die Steine, die sich unter dem Motorrad verkeilt haben, zu entfernen. Das Aufsteigen wird nicht einfacher. Gefühlte 5 Minuten bis ich es geschafft habe. Leider gibt es von diesem Bereich keine Photos. Zu sehr sind wir am Arbeiten.
Nach zwei Drittel der Strecke wird die Piste besser. Wir sehen auch wieder vereinzelt Menschen und Ziegen hinter den Felsen auftauchen. Dann ein Erlebnis der anderen Art. Ein spanisches Mountainbikerpaar mit Kleinkind im Trolly macht eine Pause. Sie wollen den Weg in umgekehrter Richtung fahren und obwohl wir davon dringend abraten, lassen sie sich nicht von ihrem Vorhaben abhalten.
Ab hier geht es problemlos weiter. Dann plötzlich das Cafe, das uns der Guide angekündigt hat. Mitten im Nichts! Für wen? Kurz bevor wir dann die geteerte R703 erreichen, kommen uns drei deutsche Oldtimer Busse (Mercedes 407) entgegen.
Wir schildern ihnen die Pistenverhältnisse und äussern unsere Zweifel, dass sie das schaffen. Wir warten die Diskussion aber nicht ab und fahren weiter. Nach 3,5 Stunden erreichen wir die Straße und können endlich eine entspannte Pause einlegen.
Ich hoffe, ich habe euch mit dieser Schilderung nicht abgeschreckt sondern neugierg gemacht

Grüße, Klaus